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Radio Bielefeld Nachrichten

Westen straft Moskau für Eskalation in Ukraine-Krise ab

Die Reaktion auf Putins Entscheidung kommt prompt: Sowohl die EU als auch die USA setzen erste Sanktionen in Gang und drohen mit mehr.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stoppt vorerst das russisch-deutsche Erdgasprojekt Nord Stream 2. Foto: John Macdougall/AFP-Pool/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stoppt vorerst das russisch-deutsche Erdgasprojekt Nord Stream 2. Foto: John Macdougall/AFP-Pool/dpa

US-Präsident Joe Biden spricht im East Room des Weißen Hauses zur Lage in der Ukraine. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

US-Präsident Joe Biden spricht im East Room des Weißen Hauses zur Lage in der Ukraine. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Einigung auf ein neues Sanktionspaket gegen Russland begrüßt. Foto: Johanna Geron/Pool Reuters/AP/dpa

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Einigung auf ein neues Sanktionspaket gegen Russland begrüßt. Foto: Johanna Geron/Pool Reuters/AP/dpa

Eskalation in Osteuropa

Washington/Brüssel/Moskau (dpa) - Die USA und Europa haben mit einem Paket von Strafen auf die jüngste Eskalation Moskaus in der Ukraine-Krise reagiert. Die Europäische Union beschloss Sanktionen gegen Russland, die bereits an diesem Mittwoch in Kraft treten sollen.

Die USA verlegen angesichts der Lage zusätzliche Soldaten und Ausrüstung nach Osteuropa. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum kündigte in einer Videobotschaft eine Teilmobilmachung von Reservisten an.

Kremlchef Wladimir Putin hatte ungeachtet großen internationalen Protests die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.

Weitreichende Sanktionen

Die EU und die USA brachten nach Putins Entscheidung umgehend weitreichende Sanktionen gegen Russland auf den Weg. Die neuen EU-Sanktionen sehen unter anderem vor, jene 351 Abgeordnete des russischen Parlaments auf die Sanktionsliste zu setzen, die für die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt haben. Hinzu kommen Strafen gegen 27 weitere Personen und Organisationen. Darüber hinaus sollen der Zugang des russischen Staates zu den EU-Finanzmärkten beschnitten und der Handel der EU mit den abtrünnigen Regionen beschränkt werden.

Gegen Putin persönlich wurden vorerst keine EU-Sanktionen verhängt, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem Sondertreffen der EU-Außenminister in Paris bestätigte. Man habe so entschieden, um weitere Maßnahmen in Reserve zu haben.

Die US-Regierung kündigte Sanktionen gegen zwei große russische Banken, gegen den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer Putins und deren Familien an. US-Präsident Joe Biden betonte, die USA seien zu noch härteren Strafmaßnahmen bereit, falls Russland sein Vorgehen gegen die Ukraine weiter vorantreibe. Ein US-Regierungsbeamter sagte, in diesem Fall sei «keine russische Finanzinstitution sicher». Ebenso könnten Exportkontrollen folgen. Auch ein Ausschluss Russlands aus dem internationalen Bezahlungssystem Swift sei bei einer Eskalation immer noch möglich.

Großbritannien und Kanada verkündeten ebenfalls Strafmaßnahmen gegen Russland. Die Bundesregierung wiederum legte die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorerst auf Eis, wodurch Putin milliardenschwere Geschäfte erst einmal abschreiben kann.

Deutschland stoppt Nord Stream 2

Der Stopp von Nord Stream 2 erfolgte konkret dadurch, dass die Ampel-Bundesregierung einen Bericht der schwarz-roten Vorgängerregierung an die Bundesnetzagentur zurückzog. Dabei geht es um eine Analyse zur Versorgungssicherheit. «Das klingt zwar technisch, ist aber der nötige verwaltungsrechtliche Schritt, damit jetzt keine Zertifizierung der Pipeline erfolgen kann», sagte Scholz. Ohne diese könne Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen. Das Verfahren gehe jetzt «einen neuen Gang», sagte der Kanzler: «Das wird sich sicher hinziehen, wenn ich das mal vorhersagen darf.»

Dabei hält es Scholz für durchaus möglich, dass die vorläufig gestoppte Gaspipeline nie in Betrieb geht. «Jetzt jedenfalls ist das eine Situation, in der niemand darauf wetten sollte», sagte er in der ARD. «Da sind wir jetzt erstmal weit von entfernt.» Ähnlich äußerte sich der SPD-Politiker zu dieser Frage auch im ZDF.

Die US-Regierung begrüßte den Schritt. Biden habe klargemacht, dass die Pipeline bei einem russischen Angriff auf die Ukraine nicht in Betrieb gehen dürfe, erklärte seine Sprecherin auf Twitter. «Wir haben uns im Lauf der Nacht eng mit Deutschland abgestimmt und begrüßen die Ankündigung.»

USA und Russland: Vorerst keine persönlichen Treffen

Die Amerikaner erklärten auch geplante hochrangige diplomatische Gespräche mit der russischen Regierung vorerst für hinfällig. US-Außenminister Antony Blinken sagte ein für diesen Donnerstag in Genf geplantes Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ab. Zwar sei die US-Regierung sei grundsätzlich weiter zu diplomatischen Gesprächen bereit. Doch die russische Regierung müsse zeigen, dass es ihr ernst sei.

In den vergangenen Tagen war auch ein persönliches Treffen von Biden und Putin im Gespräch gewesen. Das Treffen von Blinken und Lawrow hätte der Vorbereitung dienen sollen. Eine direkte Zusammenkunft von Biden und Putin ist nun aber vorerst vom Tisch, wie die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte. Aktuell, da Putin die Invasion eines souveränen Landes vorantreibe, sei nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Treffen, sagte sie.

Biden rechnet weiter mit einem großangelegten Angriff Russlands auf das Nachbarland. «Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten», sagte der US-Präsident im Weißen Haus. Er bezeichnete Moskaus Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk und die geplante Entsendung russischer Truppen dorthin als «Beginn einer Invasion». Putin liefere «eine Begründung für die gewaltsame Einnahme weiterer Gebiete».

Blinken: «Ukraine ist in Gefahr»

Die US-Regierung hatte wochenlang eindringlich vor einer russischen Invasion gewarnt und sich so von mehreren Seiten den Vorwurf eingehandelt, Alarmismus zu verbreiten und die Lage nur anzuheizen. Nun fühlt sich die Biden-Regierung in ihrem Kurs bestätigt. Blinken sagte mit Blick auf Putin: «Sein Plan war von Anfang an, in die Ukraine einzumarschieren, um die Ukraine und ihre Bevölkerung zu kontrollieren, um die ukrainische Demokratie zu zerstören (...), um die Ukraine als Teil Russlands zurückzuerobern.» Blinken bezeichnete das Vorgehen Moskaus als «die größte Bedrohung für die Sicherheit in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg». Putin breche gewaltsam die Gesetze und Grundsätze, die seit Jahrzehnten den Frieden in Europa und der ganzen Welt bewahrt hätten. «Die Ukraine ist in Gefahr.»

© dpa-infocom, dpa:220223-99-245858/3